Profit im Orbit: Wie Patente die Privatisierung der Raumfahrtindustrie vorantreiben

Spätestens seitdem SpaceX den Boden verlassen hat und ins All abgehoben ist, ist klar, dass der Weltraum lange nicht mehr nur in der öffentlichen Forschung genutzt wird, sondern auch zur Spielwiese von Privatunternehmen und -unternehmer*innen geworden ist. Dies zeichnet sich auch in der jährlich wachsenden Zahl an Start-Ups im Bereich Luft- und Raumfahrt ab. Gründe dafür sind unter anderem die sinkenden Kosten für den Zugang zum Weltraum, der technische Fortschritt und die Möglichkeiten zur Doppelverwendung (Dual Use) sowie die wirtschaftlichen Anreize. Dazu zählen Weltraumtourismus, Satellitenkommunikation und die Beobachtung der Erde. Letztere wird beispielsweise auch immer mehr für den Katastrophenschutz genutzt. Neben den kapitalistischen Hintergründen wird die öffentliche Forschung allerdings durch die zunehmende Privatisierung entlastet. So weit so gut. Doch spiegelt sich diese Entwicklung auch im Patentwesen wider? 

Schaut man sich Patente zu dem Thema an, so dürfte man vermuten, dass zunehmend Privatunternehmen Patente anmelden. Einerseits, um mit ihren Technologien zusätzlich Geld zu verdienen und andererseits, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Doch wie sieht das in der Praxis aus?

Um das herauszufinden, haben wir uns alle Patente angeschaut, die der IPC und/oder der CPC Klasse B64G zugeordnet sind. Diese Klasse wird beschrieben mit Cosmonautics; Vehicles or Equipment therefor – auf gut Deutsch: alles was mit Kosmonautik zu tun hat. Man findet immerhin über 37.000 Patentfamilien damit. Natürlich könnte man die Suche noch durch weitere Klassen oder Stichworte ausbauen, für unseren kurzen Überblick soll das aber erstmal reichen.

Im nächsten Schritt wurden die 400 relevantesten Patentinhaber*innen (im Normalfall sind das Organisationen jeglicher Art) extrahiert. Relevant heißt hier sie besitzen die meisten Patente (bzw. Patentfamilien) aus den letzten 50 Jahren. Patentfamilien sind dabei eine Zusammenfassung von Patenten, die die gleiche Erfindung betreffen. Was uns jetzt interessiert ist: wie viele davon stammen aus der Privatwirtschaft? Und wo wird am meisten patentiert? Dazu muss man zunächst einmal wissen, was hinter den Namen der Patentinhaber*innen steckt. Mit schnellem Draufgucken ist klar, dass Boeing ein Unternehmen ist und die University of Beihang eine Universität. Das ist jedoch längst nicht bei allen so einfach und außerdem dauert es lange, mehrere hundert Namen manuell durchzuschauen. Glücklicherweise leben wir aber in einem digitalen Zeitalter, welches zurzeit einen KI-Hype erlebt, warum also nicht so eine stumpfe Arbeit abgeben. Eine kurze Abfrage an ChatGPT und wir haben eine Tabelle, welche uns nicht nur sagt, was Unternehmen und was Universität ist, sondern auch ob es die Unternehmen überhaupt noch gibt oder ob sie beispielsweise Teil eines anderen Unternehmens geworden sind. Mehrere der gelisteten Unternehmen sind zum Beispiel mittlerweile Teil von Airbus. Insgesamt gibt es tatsächlich 26 Unternehmen nicht mehr unter dem jeweiligen Namen. Zusätzlich sind 161 weitere Privatunternehmen in dem Datensatz aufgeführt, also insgesamt der deutlich größte Teil, gefolgt von 88 Forschungsinstituten. Der Rest gliedert sich in Universitäten, öffentliche/staatliche Organisationen, und sogar 20 Privatpersonen. Die Ergebnisse sind natürlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, aber alle Stichproben waren überzeugend.

Und wie sieht es nun mit dem zeitlichen Verlauf aus? In Abbildung 1 fällt auf: Privatunternehmen waren in den 90ern und 2000ern deutlich führend, was die Anzahl der Patentfamilien angeht. Vor zehn Jahren wurden sie jedoch von den Forschungsinstituten überholt und die Universitäten haben mittlerweile auch gleichgezogen. Die letzten zwei Jahre sind dabei mit Vorsicht zu genießen, da hier die Daten noch nicht vollständig sind. Vielleicht ist Ihnen außerdem die Spitze von Privatpersonen um 2011 aufgefallen. Diese ist größtenteils auf den Russen Gultjaev Aleksanr Mikhajlovich zurückzuführen. Hier lässt sich die Privatisierung des Weltraums aber jedenfalls nicht ableiten. Das kann viele Gründe haben. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist sicherlich, dass Unternehmen ihre Forschung mittlerweile geheimer halten. SpaceX zum Beispiel hält nur sehr wenige Patente.

Vergleicht man Abbildung 2 mit Abbildung 1, stellt man einen großen Unterschied fest: hier liegen Privatunternehmen immer noch weit vorne! Das liegt daran, dass hier die Patentanmeldungen dargestellt sind, also auch Patente, die nie bewilligt worden sind und Anmeldungen der gleichen Erfindung in verschiedenen Ländern. Man kann also zwei Dinge feststellen: 1. Unternehmen sind weniger erfolgreich mit ihren Patentanmeldungen und 2. Unternehmen melden ihre Erfindungen in mehreren Ländern an. Vermutlich eine Kombination aus beidem. So oder so geben sie wesentlich mehr Geld aus und steigern sich damit noch jedes Jahr. Das wiederum passt sehr gut zu dem, was man erwarten würde.

Wer von Seiten der Patente also das Rennen gewinnt, ist abzuwarten. Vermutlich die mit der schnellsten Rakete. Und bis es soweit ist: bleiben Sie neugierig und datengetrieben! 

Abbildung 1: Patentfamilien pro Jahr und Typ von Patentinhaber*innen
Abbildung 2: Patentanmeldungen pro Jahr und Typ von Patentinhaber*innen