Trend-NEWS

Lebenslanges maschinelles Lernen

Für die heutigen Erfolge im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) sind im Wesentlichen die Methoden des maschinellen Lernens verantwortlich, mit Anwendungen, die von selbstfahrenden Autos bis hin zu digitalen Sprachassistenten reichen. Auch in Zukunft werden diese Methoden die Grundlage für vielfältige neue Anwendungen in KI-Systemen liefern und damit zu erheblichen Fortschritten bei vielen technologischen Entwicklungen beitragen.

Beim maschinellen Lernen steht der traditionelle Ansatz, das isolierte Lernen, im Mittelpunkt. Dieser Ansatz unterscheidet strikt zwischen einer Phase des Lernens und einer Phase der Anwendung. Die Erstellung eines Modells erfolgt dabei ausschließlich in der Lernphase, die mit der Erstellung einer fertigen KI abschließt. Während der Anwendungsphase wird die KI, d. h. konkreter das in der Lernphase erstellte Modell, zwar genutzt, aber nicht mehr verändert. Um dennoch eine KI verbessern oder erweitern zu können, weil beispielsweise während der Anwendung neue Erkenntnisse gewonnen wurden, ist hier die KI komplett neu zu erstellen. Die neue Lernphase benötigt dann alle Daten der alten Lernphase und fügt dort die neu gewonnenen Erkenntnisse mit ein. Zu beachten ist dabei, dass die Lernphase einer umfangreichen KI sehr rechen- und zeitintensiv ist und umfangreiche Cloud-Infrastrukturen benötigt.

Das lebenslange maschinelle Lernen (LML) ist eine aktuelle Forschungsrichtung im Bereich des maschinellen Lernens und baut damit auf den bereits vorhandenen, Erfolg versprechenden Methoden auf. Das Ziel von LML ist es, eine KI zu erschaffen, die kontinuierlich lernt. Dadurch häuft sie Wissen aus der Vergangenheit an, um dieses später zur Problemlösung und zum weiteren Lernen zu nutzen. Sie verfolgt daher einen neuen Ansatz, bei dem die während der Anwendung gewonnenen Erfahrungen direkt in die Verbesserung des zugrundeliegenden ML-Modells einfließen. Durch die stetige Veränderung wächst die KI im Ergebnis mit den ihr über die Zeit gestellten Aufgaben. Sie ist später in der Lage, auch Aufgaben, für die sie ursprünglich nicht vorgesehen war, erfolgreich zu bearbeiten.

Eine mit LML erstellte KI besitzt die Fähigkeit, effektiv aus nur wenigen Beispielen zu lernen. Ähnlich wie beim Menschen nutzt sie das in der Vergangenheit angeeignete Wissen, um mit relativ wenigen neuen Daten und bei geringem Zeit- und Rechenaufwand Neues zu erlernen. Damit lassen sich während des Einsatzes vor Ort die Denkmodelle der KI schnell und effektiv an eine neue oder geänderte Aufgabe anpassen. Zudem besitzt sie die Fähigkeit aus verwandten Aufgaben heraus zu lernen, da die Aufgaben, mit der sie in der Vergangenheit konfrontiert worden ist, in der Regel nicht mit der aktuellen, zu lösenden Aufgabe übereinstimmen. Als Grundlage benötigt die KI hierfür umfangreiches, breites Erfahrungswissen, um viel leichter und einfacher lernen zu können. Wird sie dann mit einer neuen Aufgabe konfrontiert, so wählt sie genau diejenigen Teile des Wissens aus, die ihr beim Lernen der neuen Aufgabe helfen können.

Obwohl die Erforschung von LML-Konzepten für KI-Systeme sich in weiten Teilen noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet, sind bereits kommerzielle Produkte marktverfügbar, wie die neue Generation des Roboterhundes Sony Aibo (Artificial Intelligence Robot). Dieser nutzt Gesichts- und Spracherkennung, um die Reaktionen seines Besitzers aufzunehmen und verbessert deren Interpretation durch LML. Ebenfalls werden über verschiedene Sensoren Berührungen (z. B. Streicheln) immer genauer interpretiert. Der Aibo passt sich damit immer besser an seinen Besitzer an und entwickelt zudem eine eigene Persönlichkeit. Obwohl die Möglichkeiten seiner Interaktionen mit der Umwelt noch stark beschränkt sind, zeigt der Aibo bereits heute das künftige Potenzial von LML auf, bei dem eine KI sich dem Menschen und dynamischen Umgebungen anpassen kann.

Mittelfristig gesehen wird LML breite Anwendung in vielen KI-Systemen finden. Für die nächsten Jahre ergeben sich noch viele ungelöste Forschungsfragen, wie ihre Anfälligkeit für katastrophales Vergessen. Durch das Anreichern eines ML-Modells mit neuen Erkenntnissen wird in erlerntes Wissen eingegriffen. Die bereits erlernten Verhaltensweisen können so gewissermaßen vergessen werden, indem LML diese im schlimmsten Fall durch neue vollständig ersetzt. Andererseits soll eine KI in sich dynamisch verändernden Umgebungen alte, konservative Verhaltensweise durch neue, innovative ersetzten. Daher wird jedes LML-System immer einen Kompromiss finden müssen zwischen Plastizität, um neue Erkenntnisse zu nutzen, und Stabilität, um nicht katastrophal in das konsolidierte Wissen einzugreifen.

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im September 2022 veröffentlicht.

Weitere Informationen

Europäische Sicherheit & Technik

Basiert auf einem ESUT Artikel. Hier können Sie sich weitere Artikel dieser Rubrik ansehen.

Anmeldung Newsletter Corporate Technology Foresight

Ab 2017 versenden wir regelmäßig weitere Texte zu neuen Technologien per Newsletter. Zur Anmeldung für den Newsletter füllen Sie bitte das folgende Formular aus und klicken Sie auf "Anmelden".