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Living Materials

Engineered Living Materials

Living Materials stellen einen neuen Ansatz in der Materialsynthese dar, in dem lebende Zellen als aktive Komponenten verwendet werden, um nicht lebender Materie lebensähnliche Fähigkeiten zu verleihen, z. B. die Fähigkeit sich zu vermehren, zur Selbstheilung oder zur Anpassung an Umweltreize. Als nicht lebende Materialkomponente kommen organische oder anorganische Polymere sowie Mineralien oder Metalle zum Einsatz, während als lebende Komponente Bakterien, Hefen oder Algen verwendet werden, die oftmals zuvor gentechnisch verändert wurden. Living Materials eröffnen eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten wie z. B. selbstheilende Baumaterialien, intelligente Verpackungsmaterialien, künstliche Blätter zur nachhaltigen Energiegewinnung oder personalisierte Medikamentenabgabesysteme.

Für die Herstellung von lebenden Baustoffen wurden Photosynthese-betreibende Cyanobakterien auf einem Gerüst aus Sand und Gelatine angesiedelt, wobei letztere die benötigte Feuchtigkeit und Nährstoffe für die Bakterien liefert. Diese nehmen CO2 auf, um Energie zu gewinnen, und produzieren dabei Calciumcarbonat, wodurch ein Mineralisierungsprozess angestoßen wird, bei dem Sand und Gelatine zu einer festen Masse gebunden werden. Wird ein so gefertigter Stein in zwei Hälften zerbrochen, können beide Hälften innerhalb weniger Stunden zu zwei vollständigen Steinen heranwachsen. Aus einem Stein konnten so auf diese Weise mindestens acht Steine entstehen, wofür die Bakterien lediglich zusätzlichen Sand und Gelatine benötigten. Besonders interessant ist hierbei, dass die Cyanobakterien bei der Herstellung dieser lebenden Baumaterialien CO2 aufnehmen, während bei der Herstellung von Beton Unmengen von Kohlendioxid entstehen. Hierdurch könnte zukünftig die Effizienz und Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Baumaterialien verbessert werden.

In einem anderen Forschungsansatz wurde eine Mischung aus Bakterien und der Hefe Saccharomyces cerevisiae verwendet. In dieser symbiotischen Kultur produzieren die Bakterien große Mengen an Zellulose, die als Gerüst dient, in das entweder die Hefen selber oder nur die von ihnen produzierten Enzyme eingebaut werden. Die Hefen können gentechnisch so verändert werden, dass sie bzw. ihre Enzyme eine Vielzahl von Funktionen erfüllen können, wie das Erkennen und Abbauen von Umweltschadstoffen oder die Herstellung intelligenter Verpackungsmaterialien, die sich nach dem Gebrauch selber abbauen.

Ein weiteres Beispiel, in dem bakterielle Zellulose als Gerüst für die lebende Komponente des Living Materials dient, sind künstliche Blätter zur nachhaltigen Energiegewinnung. Mithilfe eines 3D-Druckers wurde auf ein Gewebe aus Bakterienzellulose die Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii aufgetragen. Während die Bakterienzellulose für eine ausreichende mechanische Festigkeit des Materials sorgt, wird durch die Algen Photosynthese betrieben, also mithilfe des Sonnenlichts Wasser und CO2 in Sauerstoff und Energie umgewandelt. Die Energie wird in den künstlichen Blättern in Form von Zucker gespeichert. Das Material könnte zusätzlich auch als nachhaltig produziertes und vollständig biologisch abbaubares Textil Anwendung finden.

Auch in der Medizin eröffnen Living Materials neue Möglichkeiten, beispielsweise zur therapeutischen Abgabe von medizinischen Wirkstoffen bei chronisch erkrankten Menschen. Dabei werden die Bakterien mit Hilfe synthetischer Biologie zielgerichtet so programmiert, dass sie in der Lage sind medizinische Wirkstoffe zu produzieren und als Antwort auf bestimmte physiologische Reize hin freizusetzen. Die so programmierten Bakterien werden in ein implantierbares Trägermaterial eingeschlossen. Dieses ist zwar durchlässig für den Wirkstoff, nicht aber für die Bakterien, welche somit dauerhaft im Trägermaterial verbleiben und als langfristige und personalisierte Wirkstoffproduzenten zur Verfügung stehen.

Die Living Materials stellen ein schnell wachsendes Forschungsfeld dar, das sich weitgehend noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet, aber neue Wege für eine nachhaltigere Materialproduktion und fortschrittliche Eigenschaftskombinationen eröffnet. Fragen bezüglich der Sicherheit bei der Herstellung und Anwendung der neuen Living Materials, insbesondere bei der Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen, müssen jedoch Berücksichtigung finden. 

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im Dezember 2021 veröffentlicht.

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