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Augmented Sensing

Das Thema Augmented Sensing ist kein einzelnes Technologiethema, es handelt sich vielmehr um eine Vielzahl einzelner Technologien, die unter diesem Begriff zusammengefasst werden. Diese Einzeltechnologien beschäftigen sich im Allgemeinen mit den menschlichen Sinnen, und zwar mit einer Wiederherstellung verloren gegangener Sinne, einer Verbesserung dieser, oder auch mit einer Erweiterung des menschlichen Sinnesrepertoires mit Hilfe kleinster technischer Geräte (sogenannter Wearables) die am oder im Körper getragen werden können. 

Das Haupteinsatzgebiet solcher Anwendungen liegt im Wesentlichen im medizinischen Bereich. Hier werden einige dieser Technologien zur Wiederherstellung von fehlenden oder beschädigten Sinnessystemen genutzt. Beispielsweise kann tauben Menschen mithilfe von Cochlea-Implantaten ermöglicht werden, wieder Geräusche und Sprache wahrzunehmen oder mittels Retinaprothesen kann blinden Personen ermöglicht werden, wieder visuelle Reize wahrzunehmen. 

Neben dieser Wiederherstellung von beschädigten Sinnessystemen im medizinischen Sektor beinhaltet das Augmented Sensing auch Technologien, die auf die Verbesserung und Erweiterung der Sinnessysteme abzielen. Im Bereich der Sinneserweiterung der klassischen Sinne des Menschen (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten) stehen vor allem das Sehen und Hören im Fokus. Hier dient auch häufig das Tierreich als Orientierung, da viele Tiere Sinnessysteme oder Fähigkeiten besitzen, die der Mensch nicht vorweisen kann. So können viele Insekten UV- und Infrarotlicht sehen, Fledermäuse können Ultraschall, und Elefanten Infraschall wahrnehmen. Im visuellen Bereich geht neben dem Einsatz von Nachtsichtgeräten die im Dunkeln sehen lassen, speziellen Brillen, wie z.B. der Hololens von Microsoft, oder Aufsätzen für den Kopf, die eine 360°-Rundumsicht ermöglichen (wie es Spinnen können), der Trend mittlerweile zur Entwicklung von Kontaktlinsen, die diese Fähigkeiten als sehr kleines Wearable in sich vereinen können. Multifokale Kontaktlinsen mit dazugehöriger Brille, Linsen mit Teleskopfunktion oder auch Graphen-basierte Kontaktlinsen zum UV und Infrarot-Sehen mit eingebauter Mikrobatterie zum autarken Betrieb sind Bestandteil der aktuellen Forschung.

Augmented Sensing beschäftigt sich aber nicht nur mit der Erweiterung bereits existierender Sinnessysteme, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit dem Menschen zusätzliche neue Sinneseindrücke zu geben. Ein Beispiel dafür kommt erneut aus dem Tierreich. Einige Tiere sind in der Lage, sich am Erdmagnetfeld zu orientieren. Untersuchungen zeigten, dass Menschen, die kleine Magnete implantiert haben oder für längere Zeit einen Magnetgürtel tragen, lernen können, sich ebenfalls am Erdmagnetfeld zu orientieren. Auch eine direkte Detektion und Analyse von Gasen oder anderen Giftstoffen kann durch Sensor-Patches, die verschiedene Chemikalien detektieren und direkt analysieren können und auf der Haut oder an den Fingerspitzen angebracht sind, ermöglicht werden. Auch temporäre Tattoos mit verschiedenen Sensoren oder direkt auf die Haut gedruckte 3D-Tattoos mit metallischer Tinte sind nicht-invasiv und reversibel (mehr dazu).

Ein weiteres Feld des Augmented Sensing ist die Spiegelung der Sinne. Diese Methode kann beispielsweise bei blinden Menschen zum Einsatz kommen, bei denen mittels Retinaprothesen die visuellen Systeme nicht wiederhergestellt werden können. Hier können kleine Kameras, die beispielsweise an einer Brille integriert sind, visuelle Signale aufnehmen und auf ein anderes Sinnessystem übertragen. Verschiedene Ansätze hierfür sind beispielsweise ein Elektrodenpad, welches auf der Zunge getragen wird und visuell aufgenommene Signale in kleine elektrische Pulse verwandelt oder bestimmte Kopfhörer, die die visuellen Signale der Umgebung mittels einer 3D-Klanglandschaft widerspiegeln. Diese Spiegelung der Sinne findet auch in der Cyborg-Szene ihren Einsatz. Der bekannte Cyborg Neil Harbisson, der seit seiner Geburt farbenblind ist, installierte sich eine Antenne auf dem Kopf, welche die Farbsignale für ihn aufnimmt und diese in Schallwellen überträgt. Er kann die Farben dadurch zwar nicht sehen, ist aber durch die unterschiedlichen Töne in der Lage verschiedene Farbspektren wahrzunehmen. Auch die Übertragung von Sinnesinformation mittels Vibration auf den Körper ist eine des Öfteren angewendete Methode. Aktuell wird eine recht vielversprechende Vibrationsweste entwickelt, mit der Geräusche und Sprache, aber auch andere Informationen wie z. B. die aktuellen Börsenkurse, mit gleichzeitiger Raum- und Zeitinformation in die Vibrationen übertragen werden kann. 

Auch das Thema „technische Telepathie“ ist immer wieder Bestandteil der Forschung. Die Fähigkeit, dass Menschen mit Hilfe kleinster Wearables, ohne Worte, Gesten und Berührungen, sondern nur alleine per „technischer“ Gedankensteuerung kommunizieren können ist von den ganzen genannten Technologien noch am weitesten von der Realisierung entfernt. Aktuell hat das MIT hierfür ein Gerät entwickelt - das sogenannte Alter-Ego-Headset -, welches subvokalisierte Sprache (gedachte Sprache) abgreift und diese an einen Computer weitersendet. Dieser Computer kann dann Informationen an den Träger des Headsets senden, welche mittels knocheninduzierter Kopfhörer ankommen. Von außen gesehen hat man ein stilles Computer Interface. Die Zukunftsvorstellung der Entwickler ist, dass zwei Menschen mit dieser Methode still kommunizieren können. 

Ein wichtiger Punkt für all diese Technologien ist die spezielle Struktur des menschlichen Gehirns. Genauer gesagt die Plastizität des menschlichen Gehirns, die dafür sorgt, dass sich das Gehirn auch noch im erwachsenen Stadium ändern und erweitern kann. Erweiterungen und Spiegelungen von Sinneseindrücken können aufgrund der plastischen Eigenschaften des Gehirnes nach einer gewissen Lernzeit wie selbstverständlich verarbeitet werden, als handele es sich um eine Sinnesinformation, die man schon immer wahrnehmen konnte. 

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im Dezember 2020 veröffentlicht.

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