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Biobots

Die Realisierung „lebender“ Maschinen stellt einen langgehegten Traum in der Wissenschaft dar. Mit ihnen ließen sich die vorteilhaften Eigenschaften mechanischer Komponenten (z. B. Langlebigkeit, Belastbarkeit etc.) mit den Vorzügen biologischer Systeme (z. B. Adaptivität, Sensitivität etc.) kombinieren und dadurch ganz neue Anwendungsmöglichkeiten erschließen. Als „Biobots“ bezeichnet man im Allgemeinen Roboter unterschiedlichster Größenordnung, welche zu einem gewissen Teil biologischer Natur sind. Von allen denkbaren Ansätzen haben jene im Mikromaßstab (also 100 µm bis wenige Zentimeter) einen relativ weit fortgeschrittenen (Entwicklungs-)Status. In der Regel werden diese Vertreter durch einen relativ simplen Aufbau charakterisiert und sind darauf ausgelegt sich in flüssigen Umgebungen fortzubewegen.

Grundsätzlich können Roboter dieser Größenordnung anhand vier verschiedener Merkmale differenziert werden: struktureller Aufbau, Aktorik, Sensorik und Informationsverarbeitung. Jeder Aspekt kann durch eine organische oder synthetische Lösung realisiert werden. Dementsprechend variieren Gesamtlösungen zwischen hybrider oder rein biologischer Form.

Der bisher am Weitesten verbreitete Ansatz zielt auf die generische Erzeugung einer hybriden Lösung ab. Dazu werden mittels Bioengineering bewegliche biologische Konstrukte aus Muskelzellen auf präzise geformten künstlichen Gerüsten gezüchtet. Als Ausgangsbasis dienen in der Regel Herz- oder Skelettmuskelzellen von Säugetieren, welche die Fortbewegung des Konstrukts sowie die Interaktion mit seinem Umfeld ermöglichen sollen. Zur Wahrnehmung der äußeren Umgebung in Form von olfaktorischen, visuellen oder taktilen Reizen kommen meist zell-basierte Systeme zum Einsatz, die präzise auf die geformte Grundstruktur aufgebracht werden. Deren Effektivität kann gegebenenfalls durch künstliche Komponenten oder genetische Modifikation erweitert bzw. verbessert werden. Als größte Herausforderung wird nach wie vor die Implementierung einer systeminhärenten Informationsverarbeitung angesehen. Aktuelle Generationen werden überwiegend durch Fremdsteuerung über äußere Reizeinflüsse kontrolliert. Diese Limitierungen führen dazu, dass biohybride Versionen oft nur in der Lage sind, eine einzige Funktion auszuführen, da ihnen das sensomotorische Steuerungssystem fehlt, das für die Ausführung komplexer Aufgaben erforderlich ist.

Seit Neuestem werden auch Entwürfe auf rein organischer Grundlage entwickelt. Unter diese Kategorie fallen sogenannte Xenobots. Deren Aufbau und Name beruht auf den (Stamm-)Zellen des afrikanischen Krallenfroschs (xenopus laevis). Gleichzeitig soll die Bezeichnung zum Ausdruck bringen, dass die zusammengefügten Organismen auch Funktionen erfüllen können, welche vom ursprünglichen genetischen Bauplan der Zellen abweichen (lat.: xeno = fremd). Ein großer Vorteil dieses Ansatzes ist, dass lebende Zellen bereits über zahlreiche Sensoren, Effektoren und Informationsverarbeitungskapazitäten verfügen, sodass ihre eigenen Kommunikations- und Kontrollmechanismen theoretisch nur an ihre jeweilige Aufgabe „umprogrammiert“ werden müssen.

Aktuelle Xenobots bestehen ausschließlich aus lebenden, tierischen Haut- und (Herz-)Muskelzellen. Ähnlich wie hybride Varianten können sie sich schwimmend in einer flüssigen Umgebung fortbewegen und kleine Lasten transportieren. Darüber hinaus verfügen sie über einzigartige weitere Eigenschaften wie z.B. die Fähigkeit zur Selbstheilung, Replikation oder zur Zusammenarbeit in Gruppen. Im Gegensatz zu hybriden Exemplaren, erfolgt die Herstellung über einen gerichteten Selbst-Assemblierungsprozess, wodurch sich die Produktion in wirtschaftlich großen Mengen realisieren ließe.

Die langfristigen Zukunftserwartungen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen solcher Mikroroboter gehen, in Abhängigkeit des eingesetzten Materials, in unterschiedliche Richtungen. Potentielle Anwendungsfelder liegen in der Medizin, Nanotechnologie oder im Bereich der Gehirn-Maschine-Schnittstelle. Biobots auf Grundlage tierischer Zellen versprechen vielseitige Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie. Unter anderem könnten sie radioaktive bzw. toxische Kontaminationen in verseuchten Gegenden detektieren oder bei der Reinigung der Meere von Mikroplastik unterstützen. Sofern der Grundaufbau auf menschlichen Zellen beruht, kämen auch Anwendungen im medizinischen Bereich in Frage, da eine höhere Immunverträglichkeit gegeben wäre. So ließen sich Mikroroboter aus körpereigenen Zellen als Transportvehikel nutzen, um gezielt Medikamente abgeben zu können oder um körperinterne Instandhaltungsaufgaben (z. B. Reinigung verkalkter Arterien usw.) beim Menschen durchzuführen.

Trotz aller sich eröffnenden Möglichkeiten steht jedoch weiterhin die ungeklärte ethische Fragestellung im Raum, ob es sich bei Biobots noch um Roboter bzw. Maschinen oder eine gänzlich neue Form von künstlich geschaffener Existenz handelt.   

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im März 2023 veröffentlicht.

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