Neue Testmöglichkeiten für Single Event Effects mittels Lasern

Am Fraunhofer INT werden die Effekte durch im Weltall übliche hochenergetische Partikel wie Protonen oder Schwerionen auf elektronische Bauteile untersucht. Sehr kurzfristige Effekte, die von einem einzelnen hochenergetischen Teilchen herrühren, werden Einzelteilcheneffekte (SEE, Single Event Effects) genannt. Diese können zu kurzfristigen Störungen oder zu dauerhaften Effekten bis hin zur Zerstörung des Bauteils führen.

SEE-Tests werden traditionell an Hochenergiebeschleunigern mit Schwerionen oder Protonen durchgeführt. In Europa gibt es seit Jahren deutlich weniger verfügbare Strahlzeit, als für solche Tests benötigt wird. Dadurch entsteht eine Versorgungslücke, da die Nachfrage stetig steigt. Ohne die Möglichkeit die Effekte im Labor zu simulieren, besteht das Risiko, nicht alle Fehlerfälle der Bauteile abzudecken.

Als Alternative zu Tests mit Teilchenbeschleunigern gewinnen Lasersysteme zunehmend an Bedeutung, insbesondere im NewSpace-Sektor. Dabei werden hochfokussierte (~1 μm) und Kurzzeit-gepulste Laserstrahlen (Dauer: 450 Femtosekunden bis 30 Pikosekunden) genutzt, um die Auswirkungen hochenergetischen Teilchen der Weltraumstrahlung zu simulieren. Die Wellenlänge des Lasers variiert je nach Verfahren: Für die Einzelphotonenabsorption liegt sie im Bereich 1030-1060 nm, für die Zweiphotonenabsorption bei 1500-1550 nm. Laserlicht mit Wellenlängen knapp unterhalb der Siliziumbandlücke (1.12 eV entsprechend 1100 nm) ruft Ionisation in Silizium hervor und erzeugt Ionisation entlang des Strahlgangs durch das Substrat zum empfindlichen Volumen. Durch systematische Abrasterung der Testobjekte und Injektion eines Laserpulses an jeder Koordinate erlaubt dies eine 2D-Kartierung des Bauteils, durch die man die Verteilung der Effekte über das Bauteil hinweg feststellen kann. Dadurch lässt sich identifizieren, welche funktionalen Blöcke in Abhängigkeit der Pulsenergie des Lasers besonders empfindlich und damit anfällig für SEE sind. Die exakte Rekonstruktion der Ergebnisse aus Beschleunigertests mit den Mitteln der Laser-SEE ist noch immer ein aktiver Forschungsgegenstand. Hier kann das Fraunhofer INT zur Etablierung dieser Methode beitragen.

Licht größerer Wellenlänge (niedrigerer Energie) als der Bandlücke des Halbleiters erzeugt normalerweise keine Ionisation in Silizium. Mit Hilfe eines nicht-linearen quantenmechanischen Effektes, der Zweiphotonenabsorption (TPA), können SEE bei größerer Wellenlänge und deutlich geringerer Pulsdauer dennoch erzeugt werden, die Wechselwirkung erfolgt dann ausschließlich im Fokuspunkt. Damit erlaubt dies eine 3D-Kartierung des Bauteils in der Tiefe.

Moderne Leistungs- oder Hochfrequenzelektronik wird häufig nicht mehr aus Silizium, sondern aus Materialien mit größerer Bandlücke (WBG, wie z. B. Galliumnitrid (GaN) oder Siliciumcarbid (SiC)) hergestellt. Hier können diese Effekte mittels Zweiphotonenabsorption von Licht geringerer Wellenlänge (höherer Energie) erzeugt werden. Die Erforschung der Laserinduzierten SEE in WBG-Materialien ist ein sehr aktueller Forschungsgegenstand. 

Mit der Unterstützung des strategischen Investitionsfonds und der BMVg-Grundfinanzierung konnten nun zwei schlüsselfertige Testsysteme, das PULSYS-RAD System der Firma Pulscan und das SEREEL2 der Firma Radtest beschafft werden. Diese erlauben ein vollständig automatisiertes genaues Abrastern von Bauteilen. Dabei werden bei jedem Punkt des Rasters ein Laserpuls auf das Bauteil emittiert und die auftretenden SEE registriert. Beide Systeme unterstützen Untersuchungen an Silizium-Bauteilen mittels Einzelphotonen- und Zweiphotonenabsorption. Zusätzlich ermöglicht das PULSYS-RAD auch Untersuchungen an EEE-Bauteilen aus »Wide Bandgap« Materialien wie SiC und GaN.

Die Erforschung von SEE mit Beschleuniger-Ionen oder Lasern erfordern einen Zugang zum Silizium und damit eine Entfernung des Bauteilpackages. Die aufwändige Präparation der Bauteile erfordert Spezialeinrichtungen zur zerstörungsfreien Bauteilöffnung und Inspektion, welche alle am Fraunhofer INT zur Verfügung stehen: ein Röntgen-CT zur zerstörungsfreien Durchleuchtung, ein Säure- und ein Plasmadekapsulator zur Entfernung der Plastikpackages der Bauteile sowie eine Präzisionsfräse zum Herunterdünnen der Silizium-Substrate.

Zudem können die Systeme zur Verifikation der SEE-Testaufbauten vor Beschleunigertests mit Schwerionen verwendet werden und hier sicherstellen, dass auch statistisch seltene Ereignisse vom Aufbau erfasst werden können.

Von den Vorbereitungen der Tests und Präparation der Bauteile bis zur Durchführung und Analyse der Experimente kann das Geschäftsfeld NEO am Fraunhofer INT die meisten Fragestellungen der SEE bearbeiten und ist mit Hilfe des neuen Systems auch unabhängiger von externen Einrichtungen.

Abbildung 1: Erste Laser-SEE Ergebnisse mit dem neuen System am Fraunhofer INT. Ein Stromsensor-Chip wurde in Gänze mittels Laser-SEE mit 5 μm x 5 μm Rasterung untersucht. Die lokal auftretenden Effekte werden hier farbkodiert gemäß ihrer Größe dem Kamerabild des Chips überlagert.
Abbildung 2: Steuereinheit des PULSYS-RAD Systems
Abbildung 3: Testchip und Testboard auf XYZ-Tisch unter der Laser-Optik
Abbildung 4: Laser-SEE-Setups am Fraunhofer INT